Die Fotos zeigen den Komponisten Carl Nielsen als eine lebenszugewandte Person. Und zwar nicht nur in den Momentaufnahmen aus seinem Familienleben, sondern auch in den Porträts, die ihn in traditioneller Pose abbilden, scheinen die verschiedenen Facetten seiner Persönlichkeit auf.

Die Geschichte seines Lebens ist die eines Aufstiegs vom begabten jungen Musiker vom Land, der aus armen Verhältnissen stammt, zu einem anerkannten und landesweit bekannten Komponisten. Carl Nielsen (1865–1931) wuchs als eines von zwölf Geschwistern südlich von Odense auf der Insel Fünen auf. Sein Vater, Maler und Tagelöhner, spielte Violine und Kornett und musizierte mit einem Trio auf Bauernfesten auf ganz Fünen. Seine musikalische Ausbildung, d.h. Geigenunterricht, erhielt er zunächst von seinem Vater und dann von dem dort ansässigen Kantor. Zusätzliche musikalische Praxis erwarb er sich, indem er seinen Vater als Tanzmusiker begleitete und als Mitglied des Regimentmusikkorps, in das er als 13-Jähriger aufgenommen wurde.

„Mein Vater war ein Malermeister und Volksmusiker, der letzte eines seltenen Schlags. Er gehörte zu denen, die eine musikalische Gesellschaft organisierten, die aus Bauern, Lehrern und Pastoren aus verschiedenen Landesteilen Fünens bestand. Sie trafen sich ein- oder zweimal im Monat und spielten ausschließlich klassische Musik. Es gab auch ein festes Streichquartett in der Gegend. Ich erwähne diese Umstände, weil ich denke, dass sie einzigartig in dem Land waren und weil ich, indem ich Bruchstücke der zugänglicheren Musik guter Meister hörte, eine Leidenschaft für Musik empfing, die mich nie verlassen wird.“
Carl Nielsen 1901

Finanziell unterstützt von diversen Wohltätern aus Odense reiste er als 18-Jähriger nach Kopenhagen und wurde als Stipendiat für das Fach Violine am Konservatorium aufgenommen. Dort schloss er auch seine Ausbildung als Komponist ab. 1889 erhielt er eine Anstellung als 2. Geiger in der Hofkapelle und konnte somit seinen Lebensunterhalt sichern.

Ein Stipendium ermöglichte ihm eine Reise – seine Grand Tour sozusagen –, die ihn in den Jahren 1890/91 nach Deutschland, Frankreich und Italien führte. In Berlin traf er Joseph Joachim, mit dem er sein Streichquartett in f-Moll diskutierte. Noch auf derselben Reise lernte er in Paris seine Frau, die Bildhauerin Anne Marie Brodersen kennen. Eine starke Persönlichkeit, die ihn inspirierte und stützte und eine eigenständige Laufbahn als Bildhauerin verfolgte. Auf späteren Reisen besuchte er in Wien Johannes Brahms und begegnete in München Richard Strauss.

Zunehmend erfolgreich als Komponist – der Musikverlag Wilhelm Hansen nahm ihn unter Vertrag und der Staat sicherte einen Teil seines Lebensunterhaltes durch eine jährliche Förderung −, konnte er 1905 seine Position als Violinist der Hofkapelle aufgeben und sich mehr dem Komponieren widmen.

Carl Nielsen hat ein umfangreiches Œuvre hinterlassen. Es umfasst alle Gattungen vom Lied, der Chormusik, den großen Orchesterwerken, Konzerten, Kammermusik und Klaviermusik bis zur Oper. In Dänemark ist er vor allem auch als Schöpfer volkstümlicher Lieder, die bis heute zu den meistgesungenen Liedern Dänemarks gehören, bekannt.

Bereits zu Lebzeiten wurden Carl Nielsens Werke auch außerhalb Dänemarks aufgeführt, u.a. noch zu seinen Lebzeiten von Dirigenten wie Pierre Monteux und Wilhelm Furtwängler, später dann durch Leonard Bernstein und Herbert Blomstedt. In den 1980er Jahren ist eine internationale Carl-Nielsen-Forschung vor allem in England und den USA entstanden, in Odense ihm zu Ehren ein Museum eröffnet worden.

Dass es trotz zunehmender Präsenz im internationalen Musikleben lange Zeit an einer nachhaltigen kritischen Auseinandersetzung durch die Fachwelt mangelte, lag einerseits daran, dass der Zugang zu den Quellen nur Dänisch sprechenden Forschern möglich war. Das Erscheinen der kritischen Gesamtausgabe seiner Werke hat hier Abhilfe geschaffen. Es mangelt aber darüber hinaus auch an analytischem Rüstzeug, das dieser Musik jenseits des Kategorien-Kanons der Moderne gerecht wird. Als verspielt und lebensbejahend und gleichzeitig sperrig wird Carl Nielsens Musik beschrieben. Sie verweigere sich einfachen stilistischen Zuschreibungen. Ihr melodischer Reichtum und ihre harmonische Vitalität sprechen die Hörer unmittelbar an.

Am 9. September startet das Nielsen-Porträt mit einem Konzert des Mahler Chamber Orchestra unter Thomas Søndergȧrd. Orchester wie das Royal Danish Orchestra unter Michael Boder, das Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin mit Marek Janowski und die Berliner Philharmoniker unter Sir Simon Rattle werden Nielsens Sinfonien 3-6 aufführen und das junge Danish String Quartet alle seine Streichquartette. Ab dem 9. September ist außerdem die Ausstellung „Carl Nielsen – Music is Life“ im Foyer der Philharmonie für die Besucher des Musikfest Berlin zugänglich.