Die Geschichte der Sapeurs
Leuchtend roter Maßanzug, lachsfarbener Seidenschal, Armani-Hemd, italienische Lederschuhe, Cohiba, Spazierstock und Melone. Die extravagante Garderobe der „Sapeurs“ ist makellos und bis ins kleinste Detail aufwändig kombiniert, ihr Auftritt großspurig und dramatisch, wenn sie als stolze Stilikonen durch die Straßen von Brazzaville und Kinshasa ziehen – eine postkoloniale Antwort auf die europäischen Dandys aus dem späten 18. und 19. Jahrhundert und ein Mittel der Selbstermächtigung gegenüber den Widrigkeiten des Alltags in den von Ausbeutung und Krieg gezeichneten Ländern.
Die Bewegung der „Sapeurs“, Mitglieder der SAPE, kurz für Société des Ambianceurs et des Personnes Élégantes (Gesellschaft für Unterhalter und elegante Personen), nahm ihren Anfang in den 1920ern, als der kongolesische Kolonialsoldat, Politiker und spätere Prophet eines afrikanischen Christentums A.G. Matsoua in maßgeschneiderter Kleidung als erster Sapeur aus Paris zurückkehrte. Nach der Unabhängigkeit der Demokratischen Republik Kongo von Belgien und der Republik Kongo von Frankreich 1960 wurden Kinshasa und Brazzaville zu Zentren einer neuen frankophilen Elite, die zwischen Europa und Afrika hin- und herpendelte und neue Stoffe ins Land brachte.
Größeren Zulauf erlebte La SAPE mit dem Musiker Papa Wemba und seiner Band Viva La Musica, der die Subkultur in den 1970er Jahren als Set moralischer Verhaltens- und Kleidungskodizes besonders für Jugendliche popularisierte, um den Status Quo im vom neuen Präsidenten Mabutu errichteten Staat Zaïre heraus- und die Freiheit des Ausdrucks einzufordern. Heute ist La SAPE vor allem ein exklusiver Club, mit Päpsten und Präsidenten immerhin, dessen Mitglieder sich in bestimmten Vierteln und Vereinen zu Tanz und Wettbewerb treffen, um ihr Aussehen und Auftreten von Publikum und Jury bewerten zu lassen.
Anlässlich der Aufführung von „Coup Fatal“ von KVS & les ballets C de la B des belgischen Choreografen Alain Platel, dem die Kultur und grelle Eleganz der Sapeurs als Inspiration diente, sprachen wir mit Prof. Dr. Susanne Gehrmann vom Institut für Asien- und Afrikawissenschaft der HU Berlin und Cherry Kabulo G’Bushu, Assistent der Botschafterin der Demokratischen Republik Kongo in Berlin, über Kult und Kleidung im Kongo.
Vorschaubild © Chris van der Burght
„Coup Fatal“ ist am 18. und 20. Oktober 2015 um 20:00 Uhr im Haus der Berliner Festspiele zu sehen.