Mit der Reihe Brooklyn-Berlin Dialogues im A-Trane widmet sich das Jazzfest Berlin 2016 an drei Abenden der Kunst des Duos – in der Form eines Staffellaufs: am ersten Abend spielt Mary Halvorson mit Ingrid Laubrock, am zweiten Abend Ingrid Laubrock mit Aki Takase und am dritten Abend Aki Takase mit Charlotte Greve. Anlass genug für das Jazzfest-Team, die Musikerinnen über ihre Erfahrungen mit dem Duo-Spiel zu befragen.
Sie treten beim Jazzfest Berlin in unterschiedlichen Konstellationen im Duo auf, quasi wie bei einem Staffellauf. Zum Teil kennen Sie sich schon, zum Teil ist es eine Erstbegegnung. Was ist so besonders daran, in einem Duo zu spielen?
Charlotte Greve: Meine erste richtige Band war ein Duo- mit dem Vibraphonisten Dierk Peters. Diese Formation hat sich damals so ergeben, aber mich ziemlich gut geschult für alles, was danach, in größeren Formationen kam. Nach wie vor finde ich, dass das Duo zugleich die schwierigste und die befreiendste aller Formationen ist. Beide Spieler übernehmen gleichzeitig Verantwortung für alle Parameter in der Musik- so sollte es ja eigentlich immer sein, aber in beispielsweise einem Quartett mit Bass und Schlagzeug kann es leicht passieren, dass keiner sich so richtig von der Rollenverteilung entfernt. Das Duo-Spiel kann einen also daran erinnern, wie wir alle gleichermaßen für Time, Rhythmus, Melodie, Harmonie und Form sorgen können- egal ob improvisiert wird oder etwas Durchkomponiertes gespielt wird. Gerade im Duo kann es hilfreich sein, den Partner gut zu kennen und über eine lange Zeit hinweg etwas Gemeinsames zu entwickeln – aber weil diese Formation auch gleichzeitig so viel Freiraum und Platz mit sich bringt, kann es auch funktionieren, wenn beide sich eigentlich gar nicht oder kaum musikalisch oder persönlich kennen. Dann fällt man halt in irgendetwas rein, und findet im besten Fall eine spontane und unverhoffte Gemeinsamkeit.
Ingrid Laubrock: In einer Duo-Konstellation spielt man logischerweise mehr als in einer großen Gruppe, es ist also in dem Sinn herausfordernd, geistig und physisch. Vor allem wenn es ein improvisiertes Duo ist, braucht man sehr viel Konzentration. Das ist aber auch gerade, was ich daran sehr mag. Ich finde es sehr wichtig, dass man sich musikalisch versteht und mir ist es am liebsten, dass man auch menschlich gut klar kommt. Bei ganz neuen Kombinationen kennt man den menschlichen Aspekt natürlich vorher nicht, es geht also auch ohne 😉
Mary Halvorson: Ich habe schon häufig in Duo-Konstellationen gespielt, oft auch mit engen Freunden, und ich tue das besonders gern. Man entwickelt auf diese Weise eine tiefere Sprache und eine enge Verbindung mit einem anderen Musiker, einer Musikerin. Zudem kann man so hervorragend sein eigenes Instrument erkunden und seine Grenzen weiter ausdehnen: Wenn man in einem Duo spielt, können beide Musiker*innen mehrere Rollen übernehmen und sich den Raum nehmen, sich auszubreiten und zu experimentieren.
Gibt es ein Duo, das Sie besonders beeindruckt oder inspiriert hat?
Ingrid Laubrock: Ich habe vor kurzem zwei tolle Duos gehört – Axel Dörner / Xavier Charles und Pierre Charial / Michael Riessler, musikalisch zwei völlig unterschiedliche Duos, aber beide sehr interessant.
Aki Takase: Ich arbeite schon sehr lange mit vielen verschiedenen Duos zusammen, so unter anderem mit David Murray, Rudi Mahall, Han Bennink, Louis Sclavis und Alex von Schlippenbach. Jeder von ihnen hat seinen ganz eigenen, originellen Klang und spielt auf seine ganz eigene Weise. Ich lasse mich von ihnen inspirieren und habe dabei eine Menge Spaß.
Mary Halvorson: Als Teenager habe ich mich zuerst in das Duo Bill Evans und Jim Hall verliebt. Ich weiß noch, dass es mir vorkam als würde da einfach nichts fehlen, dass sie genau die gleiche Tiefe und Ausdehnung wie ein Quintett schufen, und dass die Musik auch genauso vielschichtig war.
Was bedeutet das Duo als Form der musikalischen Kommunikation?
Mary Halvorson: Ich finde, das Duo ist die direkteste Methode, sich auf einen anderen Musiker oder eine Musikerin einzustimmen, eine einzigartige Sprache und Kommunikation zu entwickeln und die Tiefen dessen zu erforschen, was jede*r der beiden einbringen kann.
Aki Takase: Zwei für zwei! In einem Duo braucht man eine gewisse Ähnlichkeit des musikalischen Niveaus und Geschmacks. Als Duo zu spielen, erscheint mir als ein sehr intimer Vorgang – oder zumindest intimer, als das Spiel und die Improvisation mit mehreren Musikern. Was bedeutet es für die musikalische Kommunikation? Man braucht ein gutes Ohr, um den Partner zu hören (das gilt für jeden Duo-Partner) und man muss flexibel reagieren können.
Ingrid Laubrock: Vor allem wenn es improvisiert ist, ist ein Duo wie ein intensives Gespräch, bei dem man nicht auf Floskeln zurückgreifen kann. In einem Duo geben beide sehr viel, und man muss sich besonders auf seinen Partner verlassen können.
Charlotte Greve: Dass das Spielen mit nur einem weiteren Partner kann etwas sehr Direktes und Klares haben, hier funktioniert die Analogie eines Gespräches wirklich. Es gibt viel Platz zum Hören und viel Platz, überhaupt Platz zu lassen. Vor allem beim Improvisieren vermittelt man nur einer Person einen musikalischen Gedanken (und andersherum) und das macht das Ganze klarer und flexibler. Nicht unbedingt einfacher, aber auf jeden Fall flexibler.
Die Fragen stellte Nadin Deventer.
Der Dialog beginnt am 3.11., 21:00 Uhr mit Mary Halvorson & Ingrid Laubrock, am 4.11., 21:00 Uhr spielen Ingrid Laubrock & Aki Takase und am 5.11., 21:00 Uhr Aki Takase & Charlotte Greve. Alle Konzerte finden im A-Trane statt.