Das Projekt JungeReporter wendet sich an junge Leute ab 15 Jahren, die Lust am Schreiben haben. Sie müssen nicht unbedingt selbst ein Instrument spielen, malen oder gern auf der Bühne stehen, sondern es kommt auf die Neugier für alle Kunstformen an. Für das Berliner Festspiele Blog besuchen sie das 36. Theatertreffen der Jugend.
Am Samstagabend wurde von den Aktionist*innen des Maxim Gorki Theaters „Kritische Masse“ aufgeführt. Die Schauspielerinnen und die Leiterin hatte ich schon einige Tage zuvor für ein Interview getroffen, und damals fand ich die Mädchen sofort sehr sympathisch. Ein Tag vor der Aufführung kam dann im Team von JungeReporter die Frage auf, wer die Kritik über dieses Stück schreiben wolle. Alle sahen mich an. „Antonia, warum übernimmst Du das nicht? Du kennst doch die Mädels, Du hast Dich mit dem Thema beschäftigt!“ – Eigentlich logisch. Aber in mir kam ein Widerwille hoch. Was, wenn mir das Stück nicht gefallen würde? Was, wenn die Mädchen, die ich so nett gefunden hatte, grottenschlechte Schauspielerinnen wären? Könnte ich es schaffen, eine knallharte Kritik zu schreiben? „Nein“, dachte ich mir, „könnte ich nicht.“ Ich habe es also zuerst abgelehnt, diesen Artikel zu übernehmen.
Die Schauspieler*innen hier laufen lachend auf dem Campus des Theatertreffens herum, die Stimmung ist ausgelassen und die verschiedenen Gruppen unterhalten sich lebhaft. Klar, hier sind alle Gewinner, da sie es zum Bundeswettbewerb geschafft haben. Ich habe die Aktionist*innen nach ihrer Aufführung wieder getroffen, und wir haben uns unterhalten. Sie sind so begeistert, hier dabei zu sein und sie waren so herzlich auch zu mir.
Doppelter Druck: Wer bin ich, dass ich mir anmaße, über ihre Leistung zu urteilen? Ich bin selber nämlich überhaupt keine gute Schauspielerin und noch weniger eine renommierte Theaterkritikerin.
Und was versteht man eigentlich genau unter einer Kritik? Im Duden steht, eine Kritik sei „eine prüfende Beurteilung und deren Äußerung in entsprechenden Worten“. Ob ich das Stück bewerten sollte, sozusagen Punkte vergeben,wie im Sport? Vielleicht hätte ich mir wirklich, wie die Lehrer in der Schule für eine Klausur, ein Bewertungsregister anlegen sollen: 2 Punkte dafür, dass die Schauspieler klar und deutlich gesprochen haben, 2 Punkte für das Licht, 3 Punkte für die Körpersprache… Das wäre vielleicht objektiver… Aber Quatsch, da jedes Theaterstück einzigartig ist und man Kunst ja bekanntlich sowieso nicht in Schubladen stecken sollte.
Im Endeffekt ist eine Kritik doch sowieso immer subjektiv, schließlich sind die Geschmäcker verschieden. Ich sollte mir also weniger Gedanken machen, ob ich kritisieren darf oder nicht. Es ist meine Meinung, und zu der stehe ich.
Und deshalb sollten auch Schauspieler schlechte Kritik an ihrem Stück nie als Angriff sehen. Schließlich kritisiere ich nicht ihre Persönlichkeit, sondern ihr Werk. Und sollte ihnen meine Meinung nicht gefallen, können sie sie ja ignorieren. Das ist das Gute an einer Kritik: Der Schauspieler selber entscheidet, ob er sie sich zu Herzen nimmt oder nicht. Also muss man keine Angst haben, seine Ansichten zu äußern. Denn genau so wie du das Stück des Schauspielers kritisierst, darf der Schauspieler deinen Artikel kritisieren. Das macht das Interviewen, Schreiben und Besprechen gerade interessant, dieses gewisse Risiko.
Und deshalb freue ich mich auf die vielen tolle Stücke, die ich im Verlauf des Theatertreffens der Jugend noch sehen werde und über die ich berichten darf. Allerdings kann ich mir das Leben etwas leichter machen und in Zukunft die Schauspieler erst interviewen, nachdem ich sie auf der Bühne gesehen hab.
Mir wurde übrigens die Entscheidung, ob ich die Kritik doch schreiben wolle, abgenommen. Ich wurde nämlich krank. Das Stück hab ich allerdings trotzdem gesehen und ich fand es wirklich gut. WIRKLICH gut.
Der Bundeswettbewerb Theatertreffen der Jugend findet vom 29. Mai bis 6. Juni 2015 im Haus der Berliner Festspiele statt. „Kritische Masse“ von Jugendclub von GORKI X „Die Aktionist*innen“ am Maxim Gorki Theater war am 30. Mai 2015 um 20:00 Uhr zu sehen.