Fritz Bornemann inszenierte den Weg in den Zuschauerraum seiner Theaterbauten in dem Bewusstsein des Theaterbesuches als Raumerlebnis: Materialität sowie die Dualität von Enge und Weite, Helligkeit und Dunkelheit, atmosphärisch kalt- und warm anmutenden Bereiche prägen den Weg von der Straße zum Sitzplatz. Will man zum Beispiel die Deutsche Oper Berlin betreten, so führt der Weg unter der weit vorkragenden Waschbetonwand in die Kassenhalle. Bescheidenheit statt Repräsentation kennzeichnet diesen Eingang, den dunkel gefärbte Betonflächen flankieren. Der dunkle Sockel steht in wirkungsvollem Gegensatz zur hellen Waschbetonwand. Von der niedrigen Kassenhalle führt der Weg direkt zu den Garderoben. Statt über einen zentralen Treppenaufgang leitet der Architekt die Besucher über zwei filigrane Treppenhäuser in die Foyers. Sie liegen hinter den gläsernen Seitenwänden des Hauses und weisen – gleichsam als Relikte herrschaftlicher Treppenhäuser – flache, lange Stufen auf, die zum würdevollen Schreiten auffordern. Das große, hohe Foyer gliedert sich in zwei Ebenen, die durch die Treppenhäuser miteinander verbunden sind. Haupt- und Seitenfoyers umschließen den Zuschauerraum U-förmig.

Auch bei der Freien Volksbühne, heute Haus der Berliner Festspiele, ist das Spiel zwischen niedriger, pavillonartiger Kassenhalle, schmalen Glaszugang und großzügigen, mit großen Glasflächen nach außen geöffneten Foyers eine rhythmisierte Wegeführung zwischen Licht und Dunkel.

An die Stelle von Ornamenten treten in beiden Häusern wechselnde Materialien mit unterschiedlicher Oberflächenstruktur. Wahrzunehmen ist vor allem die Vielfalt der verwendeten Hölzer: In der Deutschen Oper sind dies Teakholz in Garderobe und Kassenhalle, Esche in den Seitenfoyers, Nussbaum im Hauptfoyer und Zebranoholz im Zuschauerraum. Der Bühnenraum der Freien Volksbühne ist mit charakteristischen Lochplatten aus Tropenholz umschlossen.

In der Deutschen Oper sah der Architekt eine (längst aufgegebene) strikte funktionale Trennung vor, nach der die Hauptfoyers ausschließlich Orte der Kunst waren (mit Werken von Laurens, Nay, Arp, Moore) – und damit klar unterschieden von den Seitenfoyers mit Pausenrestaurants.

Der weitere Weg im Haus an der Bismarckstraße ist geprägt von der Dualität von Enge und Weite. Enge kennzeichnet die deutlich niedrigeren Vorräume, die zwischen Foyers und Zuschauerraum liegen. Sie fungieren als Schallschleusen und enthalten fächerförmig angeordnete Zugänge zum Zuschauerraum, dessen Wirkung durch diese Hinführung deutlich gesteigert wird.

Fritz Bornemann gelang mit der Deutschen Oper und der Freien Volksbühne ein Brückenschlag von Tradition und zeitgemäßem Raum. Er vermochte traditionelle Raumprinzipien in die eigene Gegenwart zu überführen. Die reduzierte Form der Moderne stand im zeitgemäßen Gegensatz zum Historismus, der sich in seinem Formenrepertoire der Vergangenheit bediente, sie aber nicht als Ausdruck der vergangenen Zeit begriff, sondern als Stilmittel. Der Architekt verzichtete nicht auf die Mittel einer der Kunstform „Oper“ oder „Theater“ angemessenen architektonischen Inszenierung. Er entwarf einen Weg „zur Konzentration und innerlichen festlichen Stimmung“ (F. Bornemann) – einen Weg, bei dem Zuschauerraum und Foyer eine Einheit bilden: ersterer dient dem konzentrierten akustischen und optischen Erleben, letzteres der Reflexion desselben.

Mehr Infos zu den Bornemann-Bauten: Adrian von Buttlar, Kerstin Wittmann-Englert, Gabi Dolff-Bonekämper (Hrsg.): Baukunst der Nachkriegsmoderne. Architekturführer Berlin 1949-1979, Berlin 2013.