Maxime Le Calvé (34) ist Anthropologe und begleitet ethnographisch den Mondparsifal seit seiner Entstehung. Er schreibt an einer Dissertation zu „Jonathan Meese und Parsifal“ am Institut für Theaterwissenschaft (FU Berlin) und an der École des Hautes Études en Sciences Sociales (Paris). Seine Zeichnungen gelten als phenomenographischer Beitrag zum Forschungsbereich am Probenprozess. Le Calvé praktiziert eine ernsthaft teilnehmende Beobachtung und bemüht sich, gleichzeitig der Kunst und der Wissenschaft zu dienen. Aus den entstehenden Reibungen kommen diese Bilder.
Es geht weiter im Theater: Wir proben den 2. Akt. Um 11 Uhr startet der Tag, es geht weiter bis 18 Uhr, mit Pause um 14 Uhr. Künstler Meese bleibt während der Pause im Theater, um nach Feierabend noch eine weitere Stunde Malereien auf das Bühnenbild und auf Kostüm-Teilen aufzutragen, während die Techniker*innen aufräumen. Der Dramaturg und der Künstler erzählen oft, dass die riesige Strohpuppe ein Zitat aus dem Film „The Wicker Man“ (1973) ist. Sie ist aber offensichtlich einem Maibaum nachempfunden, um den tanzende Blumenmädchen / japanische Schülerinnen den Zed/Parsifal verführen/opfern wollen …
Generalprobe ohne Publikum: Drachenabsturz im ersten Akt! Die von „Star Trek“ inspirierten Kostüme wirken toll und Gurnemanz Bankl sieht als ein überdimensionaler Meese sehr glaubwürdig aus. Ein Fernsehteam dreht, und Fotograf Bauer macht viele Bilder für die Website jonathanmeese.com. Das spärliche Publikum darf eine fast ununterbrochene erste Aufführung genießen.
Lange diskutierte Elemente kommen endlich zusammen: Im 3. Akt gibt es eine lange Szene, wo Meese den Zuschauer in den visuellen Raum eines Filmes transportieren will. Nach vielen Überlegungen ist Fritz Langs „Nibelungen“ (1924) ausgesucht worden. Für das Regieteam geht es nun um Anpassungen der Farbe und leichte Veränderungen, die dieses Erlebnis verfeinern können. Mit Kostümen und Requisiten wirken die Bilder wieder ganz anders. Die lang choreografierten Szenen mit dem Chor werden mit dem Zukommen der Solist*innen angeschärft, die Begeisterung im Regieteam ist groß! Meese gratuliert regelmäßig: alles ist „geil“ und „vom feinsten“.
In der Galerie Kritzinger eröffnet eine Preview die Ausstellung zu „Jonathan Meese und der Mondparsifal“. Alle Gäste essen bereits an langen Tischen, als Meese mit seinem gesamten Team direkt aus dem Theater dazustößt. Die Rede vom Künstler fängt ganz kraftvoll an, alle, die an das Projekt nicht glauben, werden als Vergangenheitsfanatiker angesprochen. Nach einigen Minuten tritt seine elegante Mutter hinzu, und plötzlich wirkt der Künstler ganz zart und wie beruhigt. Der Abend wird sehr lang, Speis und Trank sind exquisit!
„MONDPARSIFAL ALPHA 1–8 (ERZMUTTERZ DER ABWEHRZ)“ von Jonathan Meese, Bernhard Lang und Simone Young war bei den Wiener Festwochen 2017 zu sehen.
Am 15., 16. und 18. Oktober 2017 ist „MONDPARSIFAL BETA 9–23 (VON EINEM DER AUSZOG, DEN “WAGNERIANERN DES GRAUENS” DAS “GEILSTGRUSELN” ZU ERZLEHREN)“ im Rahmen des Programms Immersion im Haus der Berliner Festspiele zu erleben.