„Being a good girl gets you nowhere. Asking nicely for change gets you nowhere. Mutiny is necessary. Class mutiny, gender mutiny, sex mutiny, love mutiny. It’s got to be mutiny in our time.“
Mit diesem Aufruf zur Meuterei aus ihrem Buch „Unspeakable Things“ scheint die Feministin Laurie Penny einen Nerv getroffen zu haben. Die Veranstaltung „Wonach wir verlangen: Laurie Penny über Begehren und Emanzipation“ im Rahmen des 15. internationalen literaturfestivals berlin jedenfalls sorgte für ein volles Haus der Berliner Festspiele. Ein mehrheitlich weibliches Publikum lauschte gebannt dem Dialog zwischen der britischen Autorin und Moderatorin Frederike Kaltheuner, der den Auftakt des Festival-Specials „Zur Lage des Feminismus“ darstellte.
Feminismus ist gerade ein Thema, an dem sich die Geister scheiden. Der Dirndl-Dialog zwischen Rainer Brüderle und der jungen Stern-Autorin Laura Himmelreich, die daran anknüpfende Aktion #aufschrei sowie jüngst die umstrittenen Talkrunden Frank Plasbergs zur Geschlechtergerechtigkeit brachten das Thema und die hitzigen Diskussionen darum auch hierzulande wieder in Mode. Laurie Penny jedoch ist dem deutschen Diskurs einen entscheidenden Schritt voraus. Während viele unserer feministischen Stimmen in die Rechtfertigungsfalle tappen, weigert sich Laurie Penny kategorisch, immer wieder bei Null anzufangen.
„Ich habe keine Geduld, irgendwelchen Idioten die Grundpfeiler des Feminismus zu erklären!“
Und da ist sie wieder, die Meuterei. Meuterei gegen die Defensivposition, Meuterei gegen ein patriarchales und kapitalistisches System, Meuterei gegen Unterdrückung. Den Zuschauer*innen gefällt’s. Im abschließenden, leider recht kurzen Publikumsgespräch entpuppen sich die Fragenden durchgehend selbst als Expert*innen des Themas. Eine Ansammlung junger, gebildeter Feminist*innen, die in Laurie Penny nicht nur eine Mitstreiterin, sondern vor allem ein Vorbild sehen.
Denn Pennys Verknüpfung der Themenkomplexe „Begehren“ und „Emanzipation“ ist ein Akt der Befreiung. Sie „erlaubt“ ihren Leser*innen und Zuhörer*innen etwas, das die Gesellschaft ihnen noch immer verbietet: das Wollen! Vom Objekt der Begierde soll die Frau endlich zum begehrenden Subjekt werden. Doch geht es hier nicht nur um die Erlaubnis zur freien Männerwahl, sondern im Grunde wieder um Meuterei. Das spezifische Begehren nämlich, das Penny sowohl in ihrem Buch als auch im Gespräch jenes Abends formuliert, ist das Begehren nach Freiheit, Gleichberechtigung und Selbstbestimmung.
Es mag zunächst absurd erscheinen, dass es für dieses Begehren eine Erlaubnis braucht. Doch spätestens wenn Penny von den Diffamierungen ihrer Person auf Twitter und in sozialen Netzwerken erzählt, wird klar, dass die feministische Stimme noch immer als Affront wahrgenommen wird. Mit persönlichen Angriffen dieser Art, so Penny, solle die Frau einmal mehr aus dem öffentlichen – in diesem Fall virtuellen – Raum vertrieben werden. Der Wahrheitsgehalt dieser Aussage zeigte sich erst kürzlich in der Wiederauflage der „Hart aber fair“-Genderdiskussion, in der feministische Kritik mehrfach als persönliche Befindlichkeit abgetan wurde.
Die Bagatellisierung dieses bedeutenden politischen Diskurses ist verheerend, denn es geht um weit mehr als Frauenrechte. Wie Laurie Penny in klaren, stets verständlichen Ausführungen ihrem Publikum erklärte, hat der Feminismus auch eine wirtschaftliche Komponente, die alle Menschen betrifft, und kreist mitnichten ausschließlich um weibliche Befindlichkeiten. Durch die enge Verzahnung patriarchaler und kapitalistischer Strukturen wird der Kampf um Geschlechtergerechtigkeit gleichzeitig auch zu einem Kampf um gerechtere Arbeitsbedingungen, beispielsweise in der noch immer weiblich dominierten Care-Arbeit.
Bei all dem ist Laurie Penny niemals belehrend, sondern scheint lediglich ihre eigenen Erfahrungen zu teilen, eine Rhetorik, die auch ihr Buch so besonders zugänglich macht. Nicht nur ihr Schreiben, auch ihr Live-Auftritt überzeugt vor allem durch Authentizität, die in diesem Kontext auch ein Zeichen großen Mutes ist. Penny macht sich persönlich angreifbar. Wo beispielsweise Anne Wizorek in ihrem Buch „Weil ein Aufschrei nicht reicht: Für einen Feminismus von heute“ einen sehr sachlichen Ton anschlägt, ist Laurie Penny in jeder Minute mehr als nur eine Stimme, nämlich eine ganze Person mit einer eigenen Geschichte. Eine Person, die wütend ist über ein System, das sie unterdrückt. Und es ist eben jene Wut, die sie vom meist eher verhaltenen deutschen Feminismus-Diskurs abhebt. Das kürzlich erschienene Buch „Bitte freimachen – Eine Anleitung zur Emanzipation“ von Katrin Rönicke beispielsweise bedient sich zwar ebenfalls einer sehr persönlichen Perspektive auf klar und deutlich benannte Missstände, bleibt dabei jedoch stets höflich.
Laurie Penny ist nicht höflich und will es auch gar nicht sein, denn: „Being a good girl gets you nowhere“. Aus ihrer Wut schöpft sie Energie, eine Energie, die bei ihren Leser*innen ankommt. Die Zukunft des Feminismus, so erscheint es an diesem Abend in Anbetracht eines Saals voll eloquenter und informierter Zuschauer*innen, ist eine positive, vielversprechende.
Doch Obacht, denn die Veranstaltung zeigt auch etwas anderes: Noch erreicht Laurie Penny vor allem ein privilegiertes Publikum mit beträchtlichem Bildungshintergrund. Doch ist es gerade die weitaus größere Gruppe bildungsfernerer Frauen, die in der patriarchal und kapitalistisch strukturieren Gesellschaft durch Mehrfach-Diskriminierung am stärksten benachteiligt ist. Pennys Botschaft muss auch zu ihnen durchdringen, denn nur mit ihnen kann die große Meuterei gelingen.
Laurie Penny war im Rahmen des 15. internationalen literaturfestival berlin am 11. und 13. September zu Gast im Haus der Berliner Festspiele. Zur Diskussion mit Josephine Decker und Mona Eltahawy schreibt Christine Olderdissen im Watch-Salon.