Friedrich Kiesler, Raumbühne, Mittlerer Saal (heute Mozartsaal) des Wiener Konzerthauses beim Auf- oder Abbau, Wien 1924 © Friedrich Kiesler Stiftung

Welches Potential die Öffnung und Vernetzung klassisch besetzter Kulturräume hat, versuchen die Berliner Festspiele mit ihrem interdisziplinären Programm zwischen zwei Häusern – dem Martin-Gropius-Bau und dem Haus der Berliner Festspiele – immer wieder auszuloten und voranzutreiben.

Mit der Ausstellung „Friedrich Kiesler: Architekt, Künstler, Visionär“ begeben sich die Berliner Festspiele im Martin-Gropius-Bau auf die Spuren eines Universalkünstlers, dessen Schaffen sich von einer ganzheitlichen Designtheorie über endlos fließende Raumkonzepte bis hin zur Entwicklung einer Maschine erstreckt, mit der das menschliche Sehen als aktiver Prozess visualisiert werden sollte. Auf der Basis dieser breit gefächerten Auseinandersetzung mit Kunst und Wahrnehmung entwarf Kiesler auch Theaterräume, die sich durch eine dynamische Verschränkung von Bühnen- und Zuschauerraum, wie im Fall der spiralförmigen Raumbühne des Railway Theaters von 1924, oder in einer flexibel gestaltbaren Theaterkonstruktion, wie im Entwurf des Festivaltheaters für Woodstock von 1931, als visionär erweisen.

Cedric Price „Fun Palace: interior perspective“, 1964, black and white ink over gelatin silver print, 12.7 x 24.8 cm, DR1995:0188:518 © Cedric Price fonds, Canadian Centre for Architecture, Montréal

Auch der britische Architekt Cedric Price entwickelte mit seinem „Fun Palace“ aus den 1960er Jahren eine Theatervision, die einen gänzlich offenen und wandelbaren Kulturort imaginiert. Als dynamische Kultur- und Wissensmaschine sollte der „Fun Palace“ mit seiner flexiblen Raumgestaltung als sich ständig in Veränderung befindliche Begegnungsstätte fungieren. Dabei ist dieser utopische Ort der unendlichen Möglichkeiten nicht nur als Raum für Theater und Kunst sowie für Wissenschaft, Bildung und Unterhaltung gedacht, er sollte zudem die Möglichkeit zu neuen künstlerischen Produktionsweisen jenseits der begrenzten Optionen typischer Spartenhäuser bieten und damit auch neue Erzählweisen und Rezeptionsformen etablieren.

Wie aktuell und visionär die Ideen von Friedrich Kiesler und Cedric Price bis heute wirken und welche Relevanz sowohl der „Fun Palace“ wie auch Kieslers Entwürfe für heutige Diskurse um Theater, Architektur und immersive Kunstformen haben, diskutierte Thomas Oberender mit Hans Ulrich Obrist, Dorothea von Hantelmann und Milo Rau im Rahmen der Gesprächsrunde „Das Theater seiner Träume. Von Friedrich Kiesler zu Cedric Price“, die am 30. April 2017 im Martin-Gropius-Bau stattfand. Welche Erfahrungen Hans Ulrich Obrist mit Cedric Price persönlich und auch als Kurator gemacht hat, welche Anknüpfungs-, aber auch Kritikpunkte der Theatermacher Milo Rau an den vorgestellten Theatermodellen hat und wie sich Dorothea von Hantelmann aus kunsttheoretischer Sicht mit den Visionen beider Architekten auseinandersetzt, können Sie in der Aufzeichnung des Gesprächs nachhören.