Bisher stand die schrittweise Entwicklung und tatsächliche Konstruktion des Projektes „alif::split in the wall“ im Vordergrund. Jetzt, vier Tage vor der Premiere, erscheint die Installation aus den Schlauch-Organismus Chiharu Shiotas, die Implementierung der Musik und der Musiker*innen in diesen Organismus und die gleichzeitige Projektion des Geschehens in Bild und Raum zunehmend als Gesamtheit. Bastian Zimmermann erzählt, wie sich in seiner Wahrnehmung die Einzelteile zu einer Metapher fügen.
Was kann das Ziel einer Installation wie alif sein? Steckt dahinter die Idee einer allumfassenden Maschine, die den menschlichen Körper übersteigt? Die Schläuche erinnern stark an klinische Zusammenhänge. Wird hier das Blut der Musiker gereinigt? Oder werden sie vielmehr mit Superblut versorgt, einem Blut, das sie auch zu einem erweiterten Organismus werden lässt? Oder bestreiten sie einfach eine Hang-Over-Therapie, um die gestrige Nacht zu nivellieren?
Konzentriert auf die Funktionsweise der roten Flüssigkeit schauend, wie sie langsam in Pulsen durch die komplex verschränkten Systeme vorangetrieben wird, sinniere ich über die immer wiederkehrende und unser sozial-technisches Leben bestimmende Idee des Menschen, sich nach und nach den Maschinen anzunähern. Dabei denke ich gar nicht mal nur an die Idee des Roboters oder Ähnliches, sondern auch an die Beschreibungen, die der Mensch von sich selber macht. Schon der medizinische Blick ist ein solcher, der den Körper als Maschine begreift.
Will hier der Mensch mit dem humantechnischen Adersystem über sich hinauswachsen? Der Puls der Flüssigkeiten imaginiert den Puls des Lebens, der auch imaginiert wird von den Pulsen der elektronischen Musik: Es geht voran, immer weiter, mit ähnlichen Mitteln. Unerbittlich. Es ist kein Stoppen möglich; ob es die 80 Jahre eines Menschenlebens, die 72 Stunden eines Partywochenendes oder die vier bis fünf Stunden in der alif-Installation sind. Aber nein, hier ist es ja doch möglich, der Puls der Elektronik wird immer wieder unterbrochen von instrumentalen Klangeinbrüchen, die das Metrum der Flüssigkeiten aushebeln, sie konterkarieren. Ich erinnere mich nochmals an die alif-Geschichte, bei der mit dem wiederholten Zeichnen des immergleichen Buchstabens „Alif” plötzlich der Bruch, die Veränderung in der Welt möglich ist. Ein schönes Bild ist es. Ein Wunschbild? Eine Wunschmaschine?
Wunschmaschinen können Realität werden, wenn man sich jene der Vergangenheit anschaut: Raketen, Mobiltelefone, Organtransplantationen, Tablets oder 3D-Drucker wurden viele Jahrzehnte, manchmal ein Jahrhundert zuvor gedacht, niedergeschrieben, illustriert. Genwäsche, Computerimplantate oder das Beamen werden gerade erforscht. Die alif-Installation ist eine sehr basale, fast archaische Variante dieser Idee einer Maschine der Wiederholung. Und auch wieder nicht, denn es ist hier der menschliche Körper mit dem musikalischen Instrument, der die Wiederholung, den Fluss durchbricht.
„alif::split in the wall“ wird am 18. und 19. März jeweils von 19:00 – 24:00 Uhr im Rahmen von MaerzMusik – Festival für Zeitfragen im Radialsystem V zu erleben sein. Die Installation „alif“ von Chiharu Shiota ist außerdem am 19. und 20. März von 12:00 – 18:00 Uhr für die Öffentlichkeit zugänglich.