Das Projekt JungeReporter wendet sich an junge Leute ab 15 Jahren, die Lust am Schreiben haben. Sie müssen nicht unbedingt selbst ein Instrument spielen, malen oder gern auf der Bühne stehen, sondern es kommt auf die Neugier für alle Kunstformen an. Für das Berliner Festspiele Blog besuchen sie Proben und Konzerte bei MaerzMusik – Festival für Zeitfragen 2016.

Matthew Shlomowitz

© Matthew Shlomowitz

45 Minuten braucht Matthew Shlomowitz, um zu erklären, was es mit der Komposition von „schlechten“ Musikstücken auf sich hat: Es gibt sie nicht! Der Australier, der gemeinsam mit der britischen Komponistin Joanna Bailie das Plus-Minus Ensemble ins Leben gerufen hat, steht ganz locker auf der Bühne und erklärt, dass Musik schneller zur Gewohnheit wird als wir sie schlecht finden können. Die „Lecture about Bad Music“ gehört zu einer Vortragsreihe, in der Shlomowitz über die Wertung von Musik spricht, begleitet von Musikbeispielen auf der Bühne. Er hat eine ruhige Vortragsweise, nichts wirkt gestellt, nichts zwingt er seinem Publikum auf, sondern er bietet etwas an, sodass jeder die Wahl für sich selber treffen kann und muss, inwiefern er das Gesagte auf sich selber bezieht.

Ich habe Matthew Shlomowitz schon im Januar kennen gelernt, bei der Uraufführung seines Werkes „Popular Contexts No.8“ im Rahmen des Festivals Ultraschall Berlin. Er ist ein sehr netter, aufgeschlossener Mensch, der durch seine lockere Weise auch komplizierte Überlegungen zu erklären schafft, ohne daraus eine komplexen Prozess zu stricken, den keiner versteht. In seiner „Lecture about Bad Music“ zeigt er, dass jede kleine Geste, jedes Detail in einer Musikaufführung uns, manchmal unterbewusst, sofort auffällt und unsere Wahrnehmung des Werks verändert.  Es kommt natürlich auch darauf an, wie unsere Hörgewohnheiten sind oder wie wir uns gerade fühlen. Auch darauf, wie genau wir hinhören und vor allem wie oft wir dieses Musikstück hören. Beim ersten Mal hören wir einfach zu und setzen uns nicht mit der Musik auseinander. Beim zweiten Mal wissen wir dann schon, was auf uns zukommt, wir wissen, wo Auf- und Abgänge in der Musik und in den Instrumenten zu finden sind. Nach dem dritten Mal Hören können wir das Stück an manchen Stellen sogar schon mitsingen und es bleibt uns vielleicht sogar im Kopf. Dann finden wir es auf einmal gar nicht mehr so schlecht, denn wir kennen nun Details, die uns vertraut vorkommen. Man nennt das „Exposure Effect“: Je öfter ich etwas ausgesetzt werde, desto vertrauter kommt es mir vor.

Ich glaube, man kann das Hören mit der Beziehung zwischen Menschen vergleichen. Bei der ersten Begegnung noch alles unklar. Man kennt sich nicht, die Gewohnheiten sind nicht definierbar, wenn man Glück hat, weiß man hinterher den Namen des anderen und vielleicht noch, woher der Mensch kommt. Der typische „Small Talk“ zwischen Fremden ist so etwas wie das erste Hören des Stückes. Der Zuhörer weiß nicht, was auf ihn zukommt, er will es erstmal noch nicht bewerten. Jetzt kommt Stufe zwei. Man trifft sich wieder, unterhält sich ein wenig mehr über Interessen und Ziele – das zweite Hören des Stückes. Man kennt es bereits und filtert nun die Details. Und beim dritten Treffen begegnet man fast schon einem alten Bekannten – genauso ist es mit dem Musikhören. Man erkennt das Stück, sodass man offener und entspannter auf die Musik zugeht – oder eben auf den Menschen.

 

Matthew Shlomowitz‘ „Lecture about Bad Music“ für Ensemble und Sprecher wurde am 14. März 2016 im Rahmen von MaerzMusik – Festival für Zeitfragen aufgeführt.