Was bedeutet es, Grenzen zu überschreiten und sich von Erwartungen zu lösen? Das Tanztreffen der Jugend 2020 öffnete einen Raum, in dem die Teilnehmenden genau diesen Fragen gemeinsam nachgehen konnten. Alma Dewerny, ehemalige Teilnehmerin des Treffens junger Autor*innen, begleitete die Preisträger*innen des Tanztreffens für die Social-Media-Kanäle der Berliner Festspiele in die Workshops, Aufführungen und Diskussionen.

© Dave Großmann

Die Grenzen, die uns gesetzt werden

In den dunklen Raum wird ein Viereck projiziert. In diesem Viereck tanzt Daria und scheint dabei immer wieder an die Grenzen des Raums zu stoßen. Sie tanzt ihren inneren Konflikt, der sie gefangen hält. In dem urban-zeitgenössischen Solo „Innerer Konflikt“ sucht die 18-Jährige Antworten, die sie nicht zu finden scheint.  Dieses Jahr handeln beim Tanztreffen der Jugend viele Stücke von Grenzen. So steht auch Clara Helene in ihrem Stück „Grenzgänger – Ein Versuch“ alleine auf der Bühne und kaut Kaugummi. Schmatzend und laut fragt sie das Publikum: „Was bedeutet es, Grenzen zu überschreiten?“.  Es sind die eigenen vier Wände, die sie inspiriert haben, der Stillstand dieses Jahres und die Suche nach Antworten. So zieht sie eine Grenze mit Klebeband auf der Bühne, spuckt mal Wasser über sie oder zerquetscht ihren Kaugummi auf dem Boden, um dann erneut zu fragen: „Was fühle ich bei einer Grenzüberschreitung“. Verunsichert kommen Antworten aus dem Publikum und so steht Clara von Beginn an im Austausch mit den Zuschauenden und durchbricht die vierte Wand.

Cie Chandra. „Innerer Konflikt“ © Dave Großmann

Auch den Berliner Festspielen sind in diesem Jahr neue Grenzen gesetzt worden. So musste die Auswahl der Preisträger*innen auf Grundlage von Videomaterial erfolgen. Ohne Vorstellungsbesuche wurden aus 51 Bewerbungen acht Ensembles und Solist*innen eingeladen. Die Solist*innen und Duos konnten ihre Stücke auf der Bühne tanzen. Größere Ensembles hingegen mussten mit Videomaterial und performativen Ausschnitten einen Eindruck von ihrer Arbeit vermitteln.

Die Hoffnung, die wir brauchen

Dabei handelten nicht alle Stücke von Grenzen, Konflikten und Isolation, sondern viele auch von Hoffnung und Zusammenhalt. So erzählt das Stück „Why don’t you“ nach dem gleichnamigen Song von Cleo Sol von der Freundschaft des Duos Klaraadama. Klara und Adama erzählen auf der Bühne von ihren Unterschieden, ihre Erwartungen aneinander und ihren Gemeinsamkeiten. Ihre Bewegungen sind inspiriert vom markanten Rhythmus der Musik. Sie lassen Stile von Hip-Hop, Contemporary und Afro in ihre Performance einfließen. So tanzen sie miteinander und doch individuell und erzählen die Geschichte, wie schön es sein kann, sich von Erwartungen zu lösen.

Klaraadama. „Why don’t you“ © Dave Großmann

Den Zusammenhalt, den wir finden

Das Tanztreffen der Jugend musste dieses Jahr auch loslassen, sanierungsbedingt fand das Treffen in den Uferstudios für zeitgenössischen Tanz statt. Die Pandemie hat neue Themen gesetzt und Räume begrenzt. Doch trotzdem entstand auf dem Tanztreffen ein Raum, in dem sich die Teilnehmenden austauschen und voneinander lernen konnten. Das hat vor allem so gut geklappt, weil alle sich an die Hygienevorschriften hielten und sich auf die neue Situation einließen, berichtet Juror Anthony. In den Workshops ging es nicht nur um Moves und Tanzschritte, sondern auch um die Geschichte der Tanzkultur, denn Tanz bedeutet auch immer, eine Kultur kennenzulernen und diese zu respektieren. In den Workshop zum urbanen Tanz oder auch im Voguing „ging es darum, sich emotional mit einer Tanzrichtung auseinanderzusetzen“, berichtet Klara. „Das beeinflusst auch dein Selbstverständnis als Tänzer*in.“

Tanztreffen der Jugend 2020 © Dave Großmann

Die Stimmung auf dem Tanztreffen der Jugend war voller Energie, den ganzen Tag lief Musik. Die Teilnehmenden improvisierten eigene Choreografien und zeigten sich gegenseitig ihre Tanzstile. „Natürlich haben wir Abstand gehalten, aber das haben wir gar nicht gemerkt, weil wir trotzdem zusammen tanzten“, erinnert sich Clara Helene. So konnten beim Tanztreffen doch die vermeintlichen Grenzen dieses Jahres überschritten werden, neue Freundschaften geknüpft und zukünftige Kooperationen geplant werden. Es entstand ein Raum, in dem zusammen kreativ gearbeitet werden konnte, in dem gelernt und zusammen getanzt wurde.

Tanztreffen der Jugend 2020 © Dave Großmann

Das Magazin zum Tanztreffen der Jugend 2020 stellt die Preisträger*innen und ihre Projekte , Juror*innen und Expert*innen vor und gibt Einblick ins diesjährige Workshop-Programm.